20111013

IN THE MIDDLE OF NOWHERE




TAG 36
Nowhere.


In den letzten Stunden habe ich so viele Dinge erlebt, Eindrücke gesammelt und das pure Neuseeland fern ab der Zivilisation gespürt, dass ich gar nicht weiß, wie hier anfangen soll. Ich habe so viele neue Erfahrungen gemacht, mich von Kopf bis Fuß dreckig gemacht, die Augen im Regen nicht mehr aufhalten können - ausgerutscht und wieder aufgestanden und bin mit Jetboats über Brücken gefahren. Ich habe beim stärksten Gewitter unter Kayaks nach Trockenheit gesucht, meine Hände am offenen Karmin gewärmt und meine Sachen am Feuer getrocknet. Ich habe Lämmern die Flasche gegeben und dem Nebel dabei zugeschaut, wie er alles verschluckte. Alles fern ab der Zivilisation in etwas mehr als vierundzwanzig Stunden.   

Gestern Morgen hatte mich Sandy, die Eigentümerin der Lodge, in der ich im Moment arbeite, eingeladen, einen Tag in einer anderen Lodge zu verbringen, die sich jenseits der Zivilisation befindet. Natürlich habe ich nicht abgelehnt und wir trafen uns um drei im National Park Village am Park Hotel, wo ich mein Auto geparkt hatte. Denn mir wurde gesagt, dass ein normales Auto den Weg zur Lodge nicht schaffen würde und so fuhren wir mit Sandys Jeep weiter. Der Weg kam mir endlos lang vor und nach einiger Zeit sagte Sandy, ich solle ihr sechs, für Neuseeland, typische Bäume nennen: Kauri, Ponga, Manuka, Rimu, Kawakawa, Mamaku. Auf die Frage, wie der englische Begriff für Schafbock ist, hatte ich keine Antwort. Weiß es heute allerdings: Ram. Das ging fast bis zum Ende der Fahrt so weiter. Zwischendurch haben wir uns noch über unsere Reisen durch die Welt ausgetauscht und es hat sich herausgestellt, dass es unter den Neuseeländern doch ein paar reisefreudige gibt. Nach einer fast zweistündigen Autofahrt kamen wir an der Blue Duck Lodge an und es war noch hell genug, um sich von der neuseeländischen Natur beeindrucken zu lassen. Sandys Ehemann, Dan, gehören dort oben in den Bergen drei Lodgen, die sich alle inmitten der Natur auf fast sechshundert Hektar Neuseeland befinden und von der Umwelt abgeschnitten sind. Dank der Autofahrt kannte ich alle Familienmitglieder bereits. Persönlich habe ich sie dann vor Ort kennengelernt. Dans Eltern leben schon seit fünfzig Jahren dort und es ist für mich fast unvorstellbar, wie man dort, ganz ohne Kontakte, so lange leben kann. Es ist wahrscheinlich einer der schönsten Plätze, die es gibt - aber für immer könnte ich dort nicht bleiben. Sandy hat einen kleinen Sohn, Blue, der jetzt neun Monate alt ist und später einmal die Grundschule - die sich noch einmal dreizig Minuten von der Lodge entfernt befindet - besuchen wird. Die Grundschule besteht aus sieben Kindern und einem Lehrer. Dan, der vielleicht Anfang dreizig ist, lebt schon immer in Whakahoro. Seine Eltern wohnen in einem der ältesten Häuser Neuseelands, direkt über dem Wanganui River. Ein wunderschöner Ausblick, der wahrscheinlich noch schöner gewesen wäre, wenn es nicht in Strömen geregnet hätte. Ich habe noch nie so viel Regen gesehen und gespürt, wie in den letzten Stunden. Dort müssen sich Ozeane am Himmel befunden haben.

Ein Sturm sollte über die Lodge hinüber ziehen und Dan bat mich, ihm zu helfen. Ich war überhaupt nicht auf Outdoor Arbeiten vorbereitet, aber natürlich habe ich geholfen. Die Kayaks mussten aus dem Fluss gezogen werden und die Jetboats auf die Anhänger geladen und mit den Autos in die Scheune verladen werden. Nach fast einem Kilometer bergab, erreichten wir den Fluss. Spätestens dann war ich bis auf die Haut durchnässt und ich glaube, dass ich nie vom Regen so nass geworden bin wie gestern. Ich hätte meine Sachen auswringen und mehr als einen Eimer damit füllen können. Der Regen lief mir das Gesicht runter und der schlammige Boden wurde von Schritt zu Schritt rutschiger. Wir griffen uns jeder zwei Kayaks und brachten sie an einen sichereren Ort. Meine Converse Schuhe waren mit Wasser gefüllt - wie jeder andere Schuh auch. Es war unmöglich nicht im Schlamm auszurutschen. Auch die Jetboats mussten aus dem Wasser, also schnappte sich Sandy den Jeep mit dem passenden Anhänger für die Boote und Dan und ich fuhren in der Zeit noch etwas mit dem Boot durch die engen Schluchten des Flusses und machten Drehungen. Abenteuerlich bei diesem Regen, bei dem man fast nichts mehr sehen konnte und der es  einem fast unmöglich machte, bei der Geschwindigkeit noch die Augen offen zu halten. Wir fuhren mit dem Boot auf den Anhänger drauf und blieben sitzen. Sandy fuhr mit uns und dem Boot im Schlepptau über das ganze Gelände und vorallem über die Brücken. Ich bin noch nie mit einem Boot mit über 50kmh über Brücken gefahren. Spektakulär.

Nachdem Dan, Jayden und ich wieder an der Lodge angekommen waren, wurde ich ins Staffhouse gebracht, wo alle Woofer und Work‘n‘Traveller wohnten. Durchnässt stand ich im Raum und wurde international begrüßt. Meine Mitbewohner für die Nacht kamen aus England, Holland, Deutschland, Kanada und den USA und waren alle zwischen 18 und 26. Der Karmin war bereits an. Perfekt. Meine Sachen trockneten über die Nacht und wir guckten „Once Were Warriors“, ein neuseeländischer Film über das Leben der Maoris heute und die Gewalt in den Familien. Ein echt guter, aber auch trauriger Film, der weltweit mit Preisen ausgezeichnet wurde.

Am nächsten Morgen mussten die Lämmer, die mit der Flasche aufgezogen wurden, gefüttert werden. Diese Chance habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen! Danach wurde das Ferkel gefüttert, dessen Mutter erschossen wurde und ausgerechnet in meiner Lodge, in der ich arbeite, den Gästen zu Feierlichkeiten zum Abendessen angeboten wurde. Am frühen Nachmittag habe ich mir alles noch etwas genauer angesehen und vor allem dem Nebel dabei zugesehen, wie er alles verdeckte. Nachdem ich die Lodge und die Farm noch etwas erkundet hatte, fuhr ich mit Heidi, eine Mitarbeiterin, die den monatlichen Einkauf für alle machte, zurück ins National Park Village.  

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